Emulsion
Emulsionen sind Mischungen zwischen zwei nicht ineinander löslichen Flüssigkeiten, in denen Tröpfchen (disperse Phase) ohne sichtbare Inhomogenität in einer umgebenden Phase (kontinuierliche Phase) verteilt sind. Damit gehören Emulsionen zu den als Dispersionen bezeichneten Stoffgemischen, die auch Kolloide genannt werden. In der Regel sind in einer Emulsion eine hydrophobe Flüssigkeit und eine wässrige Phase gemischt. Bekannte Beispiele für Emulsionen sind Milch oder Mayonnaise.
Wie entstehen Emulsionen
Da sich Öl und Wasser nach einer Durchmischung schnell wieder trennen, sind zur Bildung einer Emulsion Zusatzstoffe nötig (oder bereits natürlich enthalten), welche als Emulgatoren bezeichnet werden. Emulgatoren sind Tenside, also Substanzen, die eine Affinität sowohl zu Wasser als auch zu Öl besitzen (Amphiphilie) und an den Phasengrenzen zwischen den Tröpfchen und der kontinuierlichen Phase adsorbiert werden.
Tenside setzen die Grenzflächenspannung zwischen Öl und Wasser herab, was gleichbedeutend ist mit der Arbeit, die für die Vergrößerung einer Grenzfläche aufgewendet werden muss. Die Zerteilung eines gegebenen Volumens in Tröpfchen führt zu einer größeren Grenzfläche; daher wird dieser Vorgang durch Tenside erleichtert. Der Aufwand für die Emulgierung (z. B. durch Schütteln oder Rühren) wird geringer und die Phasentrennung wird verzögert.

Welche Arten von Emulsionen gibt es?
Tensidstabilisierte Emulsionen zwischen Öl und Wasser
Unabhängig von der tatsächlichen Zusammensetzung der hydrophoben und der wässrigen Phase wird meistens verallgemeinernd von Öl und Wasser gesprochen. Je nachdem, welche Flüssigkeit die disperse und welche die kontinuierliche Phase bildet, gilt eine Unterscheidung zwischen Öl-in-Wasser-und Wasser-in-Öl -Emulsionen (O/W oder W/O). Entscheidend ist der Volumenanteil der dispersen Phase. Wird dieser Volumenanteil erhöht, kommt es an einem kritischen Punkt zu einem Umschlag von einem Emulsionstyp in den anderen. Dieser Vorgang wird als Phaseninversion bezeichnet.

Mikroemulsionen
Mithilfe geeigneter Tensidformulierungen können sich stabile Mikroemulsionen mit sehr kleinen Tröpfchen bilden, bei denen die Grenzflächenspannung gegenüber der kontinuierlichen Phase bei annähernd 0 mN/m liegt. Mikroemulsionen werden aufgrund ihres thermodynamisch gänzlich anderen Verhaltens nicht zu den echten Emulsionen gerechnet.
▶ Erfahren Sie mehr in unserem Glossarartikel zum Stichwort Mikroemulsion.
Pickering-Emulsionen
Pickering-Emulsionen werden nur zum Teil oder gar nicht durch Tenside, sondern durch Feststoffpartikel stabilisiert, die sich an den Phasengrenzen anlagern. Diese sind in der Regel durch Wasser und Öl benetzbar und haben daher eine ähnliche amphiphile Funktion wie Tenside. Pickering-Emulsionen zeichnen sich oft durch sehr lange Lebensdauer aus und werden z. B. in der Lebensmittel-, Pharma- und Kosmetikindustrie genutzt. Messungen der Pulverbenetzbarkeit anhand des Kontaktwinkels spielen bei der Optimierung von Pickering-Emulsionen eine wichtige Rolle.
Sind Emulsionen stabil?
Wenngleich viele Emulsionen lange haltbar sind und sich scheinbar nicht verändern, unterliegen alle echten Emulsionen einer Auftrennung der Phasen und sind thermodynamisch instabil. Bei vielen Produkten wirken zugesetzte Stabilisatoren diesem Alterungsprozess entgegen, halten ihn aber in der Regel nicht gänzlich auf.
Wie läuft die Phasentrennung von Emulsionen ab und welche Rolle spielt die Grenzflächenspannung dabei?
Von möglichen chemischen Veränderungen abgesehen sind für die Phasenauftrennung einer Emulsion verschiedene physikalische Prozesse verantwortlich. Deren wichtigste hängen im Kern mit der Grenzflächenspannung zwischen disperser und kontinuierlicher Phase zusammen.
- Koaleszenz: Aufgrund der Grenzflächenspannung strebt das System eine kleinere innere Oberfläche mit entsprechend größeren Tröpfchen an. Zusammenstoßende Tröpfchen zerstören den trennenden Flüssigkeitsfilm und fließen zusammen, bis sich die Phasen schließlich mehr und mehr trennen. Die Reduktion der Grenzflächenspannung und die Stabilisierung des Films durch Tenside verlangsamen diesen Prozess.
- Ostwald-Reifung: Aufgrund der stärkeren Krümmung haben kleinere Tröpfchen einen höheren Innendruck. Diese Druckdifferenz führt zu einem Materiestrom hin zu den größeren Tröpfchen. In der Folge wachsen die großen Tröpfchen, während die kleinen sich schließlich auflösen.
Auch bei diesem Vorgang hängt die Geschwindigkeit von der Grenzflächenspannung ab, da diese den resultierenden Krümmungsdruck (Laplace-Druck) dominiert. Emulsionen mit homogener Tröpfchengrößenverteilung unterliegen einer langsameren Ostwald-Reifung.
Die Ostwald-Reifung ist ein universeller thermodynamischer Vorgang in kolloiden Systemen, der z. B. auch beim Schaumzerfall ein treibender Faktor ist. - Sedimentation: Wegen des Dichteunterschiedes zwischen disperser und kontinuierlicher Phase sinken Tröpfchen mit der Zeit nach unten oder steigen nach oben („Aufrahmung“), je nachdem, welche Phase die spezifisch schwerere ist. Die Tröpfchengröße ändert sich dadurch zunächst nicht, doch durch die Verdichtung der Tröpfchen kommen Koaleszenz und Ostwald-Reifung – und damit die Grenzflächenspannung – stärker zum Tragen und führen letztendlich zur Phasentrennung.
Welchen Nutzen haben Messungen der Grenzflächenspannung für die Herstellung von Emulsionen?
Die Grenzflächenspannung (GFS) ist nicht nur entscheidend für die Stabilität von Emulsionen, sondern auch für den Zeit- und Energieaufwand bei der Herstellung. Damit wird die GFS zwischen disperser und kontinuierlicher Phase zu einer zentralen Kenngröße, die bei der Entwicklung neuer Rezepturen und Formulierungen sowie für die Qualitätskontrolle von großer Bedeutung ist.
Tensiometrie
Am gängigsten sind im Bereich der Emulsionsanalytik Messungen mit einem Force Tensiometer, welche die Benetzungskraft an einem Ring (Du Noüy Ringmethode) oder einer Platte (Wilhelmy Plattenmethode) an der Phasengrenze messen. Spinning Drop Tensiometer kommen ebenfalls zum Einsatz und sind besonders für den Bereich sehr geringer GFS-Werte ideal, wie sie bei Mikroemulsionen auftreten. Alternativ kann mit einer optischen Tropfenkonturanalyse die GFS anhand der Form eines hängenden Tropfens in der umgebenden Phase gemessen werden (Pendant Drop Methode).
▶ Unser Video zeigt Ihnen die Messung der Grenzflächenspannung mit der Wilhelmy-Plattenmethode am anschaulichen Beispiel einer angerührten Vinaigrette.
▶ Zum Beitrag der Tensiometrie zur Entwicklung von Emulsionen lesen Sie unseren Applikationsbericht AR291 („Charakterisierung eines vielseitigen Emulgators für niedrigviskose Formulierungen und liposomale Strukturen“)..
Grenzflächenrheologie
Besonders aufschlussreich sind grenzflächenrheologische Messungen, welche die Änderung der GFS als Reaktion auf die Verformung eines Tropfens im Zweiphasensystem untersucht. Die resultierenden Ergebnisse zur Grenzflächenviskosität und -elastizität erlauben Rückschlüsse auf die Emulgierbarkeit und Emulsionsstabilität sowie das Verhalten von Emulsionen in dynamischen Vorgängen.
▶ Erfahren Sie mehr in unserem Applikationsbericht AR285 („Grenzflächenrheologie von Emulgatoren in Lebensmitteln“)
Was sind typische Beispiele und Anwendungen für Emulsionen?
Emulsionen treten als Verbrauchsprodukt in so gut wie jedem Bereich des täglichen Lebens auf und spielen auch in vielen industriellen Prozessen eine Rolle:
- Lebensmittel: Neben vorwiegend natürlichen Emulsionen wie Milch, Butter oder Sahne gibt es eine große Bandbreite künstlich hergestellter Emulsionen. Beispiele sind Streichfette, Speiseeis, Senf, Mayonnaise, Vinaigrette und andere Dressings und in jüngerer Zeit vermehrt vegane Surrogate für Milchprodukte…
- Kosmetik und Körperpflege: Hier haben Emulsionen meist die Aufgabe, der Haut und dem Haar pflegende Fette in einer mit dem hydrophilen Milieu des Körpers kompatiblen Weise zuzuführen: Hautcremes und Sonnenschutzprodukte, Conditioner und Haarspülungen, Flüssigrouge…
- Pharmazie: In Salben sorgen Emulsionen für einen gleichmäßigen Auftrag auf der Haut und eine gute Aufnahme der oft hydrophoben Wirkstoffe. Auch bei Medikamenten zur oralen und intravenösen Verabreichung kann es sich um Emulsionen handeln, sowie bei bestimmten Nasensprays.
- Tertiäre Erdölförderung (Enhanced Oil Recovery, EOR): Beim chemischen Fluten werden Tensidgemische in das Reservoir gepumpt, wo sie das im Gestein haftende Öl in Form einer Emulsion mobilisieren. Häufig wird dabei auf die Bildung einer Mikroemulsion abgezielt.
- Chemische Synthesen: Viele Polymere, darunter Polystyrol und Latex, werden durch Emulsionspolymerisation hergestellt. Die Reaktion findet dabei in den Tröpfchen der dispersen, nicht-wässrigen Phase statt.