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AR285

Grenzflächenrheologie von Emulgatoren in Lebensmitteln

Stabilität und sensorische Eigenschaften von Emulsionen und Schäumen

Für Emulsionen und Schäume im Lebensmittelbereich sind Proteine und Lipide die wesentlichen grenzflächenaktiven Substanzen. Die Struktur, welche diese an einer Öl-Wasser Grenzfläche ausbilden, beeinflusst die Stabilität von Schäumen und Emulsionen und kann selbst die sensorische Wahrnehmung solcher Nahrungs-Kolloide verändern. Grenzflächen­rheologische Messungen werden häufig eingesetzt, um die Grenzflächen­struktur von Emulsionen und Schäumen zu untersuchen. Wir haben Messungen an oszillierenden hängenden Tropfen durchgeführt, um den visko­elastischen Modul von drei unterschiedlichen, modifizierten Lebensmittel­emulgatoren zu bestimmen. Die Proben unterscheiden sich besonders in ihrem Elastizitäts­modul E’ und liegen in einem Bereich von etwa 20 bis 110 mN/m. Dank der Verwendung des 2018 neu entwickelten Oscillating Drop Module – ODM in Kombination mit der Software ADVANCE ließen sich diese wichtigen Parameter besonders einfach, schnell und präzise bestimmen.

Hintergrund

Die dilatative Grenzflächen­rheologie beschreibt, wie Grenzflächen auf Veränderung (Vergrößerung/Ver­kleinerung) ihrer Fläche reagieren. Diese Reaktion kann elastisch oder viskos sein und dementspre­chend sind es die Größen Viskoelastischer Modul E, Elastizitäts­modul E‘ und Viskositäts­modul E‘‘, welche typischerweise durch grenzflächen­rheologische Messungen bestimmt werden. Experimentell lassen sich diese Parameter anhand der Methode des Oszillierenden Tropfens bestimmen [1, 2].

 

Dass diese Messgrößen sich in der Praxis als sehr nützlich erwiesen haben, um beispielsweise die Wirksamkeit von Demulgatoren im Bereich der Erdölförderung zu optimieren, kann in einem früheren Applikationsbericht ausführlich nachgelesen werden [3].

 

Wie wertvoll die Kenntnis dieser Größen für die Lebensmittel­technik sein kann, beweist ein Blick in die Literatur (siehe [4] und darin zitierte Referenzen):

 

  • Wie erfolgt die Gelbildung eines Molkeproteins bei erhöhten Temperaturen?
  • Welche grenzflächen­aktiven Substanzen stabilisieren die Öltröpfchen in Emulsionen am besten unter Strömungs­bedingungen?
  • Wie müssen Proteine modifiziert werden, um Destabilisierungs­prozesse in Emulsion und Schaum, wie Ostwald-Reifung/Dis­pro­por­tionierung, zu mini­mieren?
  • Kann die sensorische Wahrnehmung von Emulsionen, z. B. in Form der „Cremigkeit“, mit einem Messparameter korreliert werden?
     

Diese und weitere Fragestellungen wurden anhand dilatativer Grenzflächenrheologie untersucht. Experimen­tell war dies jedoch bisher nicht sehr einfach, was trotz des großen Nutzens viele potentielle Anwender von der Methode abschreckte. Wir zeigen nachfolgend, wie mit dem 2018 neu entwickelten ODM-Modul in Verbindung mit der Software ADVANCE grenzflächen­rheologische Messungen an Lebensmittelsystemen präzise und einfach durchgeführt werden können. So wird diese leistungsstarke Analysemethode einem breiteren Anwenderbereich zugänglich.

 

 

Experimenteller Teil

Untersuchte Proben

Von einem Kunden erhielten wir drei unterschiedliche Proben zur Untersuchung, welche unmittelbar vor der Messung als wässrige Lösungen gemäß Anwendung angesetzt worden sind (Tabelle 1). Alle drei Proben sind typische grenzflächenaktive Zusatzstoffe in Lebensmitteln. Hydrolysiertes Protein findet Verwendung als Geschmacksverstärker sowie in für Allergiker geeigneten Produkten. Quillajaextrakt wird in alkoholfreien Getränken zur Unterstützung der Schäum­eigenschaften genutzt, Propylen­glycol­alginat kommt als Verdickungs­mittel, Emulgator oder Schaumverstärker z. B. in Wassereis, Soßen oder Bier vor.

Probe

Inhaltsstoff

Konzentration

1 Hydrolysiertes Protein 20%
2 Quillajaextrakt (E 999) 1%
3 Propylenglycolalginat (E 405) 2%

 

Tab. 1: Probenübersicht

Versuchsdurchführung

Zur Bestimmung von Viskositäts­modul E‘‘, Elastizitäts­modul E‘ und visko­elastischem Modul E wurde die Methode des Oszillierenden Tropfens verwendet [1, 2]. Hierzu wurde die Probe in einer Glasspritze aufgezogen, welche in einen Drop Shape Analyzer – DSA100 in Kombination mit einem Oscillating Drop Modul – ODM eingesetzt wurde. Die automatische Detektion und Ankopplung des Spritzenkolbens sowie der hohe Automatisierungsgrad, welchen die Software ADVANCE erlaubt, ermöglichen eine hohe Präzision und sehr gute Wiederholbarkeit der Messungen.

 

Für die Messung wurde ein hängender Tropfen eines wohldefinierten Volumens automatisch erzeugt. Nach Erreichen des Gleichgewichtswerts der ­Ober­flächen­spannung (OFS) wurde das Volumen des Tropfens sinusförmig oszilliert (Abb. 1). Parallel wurde am oszillierenden Tropfen die Oberfläche in mm² sowie die OFS gemessen. Aus diesen Daten wurden dann E, E‘ und E‘‘ errechnet. Dies alles geschah vollautomatisch mit Hilfe der Software ADVANCE.

Abb. 1: Experimenteller Aufbau des DSA100 mit dem Oscillating Drop Module – ODM. Links: Die befüllte Spritze wird eingesetzt. Rechts: messfertiger Aufbau mit fixierter Spritze.

Die Messungen wurden bei Frequenzen von 0,5, 1,0 und 3,0 Hz, sowie bei Amplituden (Deformation bezogen auf die Ausgangsfläche) von 3,6 % und 4,8 % (Daten nicht gezeigt). Solche zuvor aufwändigen Frequenz- und Amplitudenvariationen sind mit Hilfe der ADVANCE-Software leicht zugänglich. Jeweils zehn aufeinander­folgende Schwingungs­perioden wurden pro Tropfen durchgeführt und für die Auswertung verwendet.

 

 

Ergebnisse

Für die Proben 1, 2 und 3 wurden Gleichgewichts-OFS-Werte von 37,8; 35,5 und 53,4 mN/m bestimmt. Ein Graph von Oberflächen- und OFS-Daten während der Oszillation ist exemplarisch für Probe 1 in Abb. 2 dargestellt. Die Software ADVANCE ermöglicht eine direkte Überprüfung der Rohdaten (blau), indem parallel die angepassten Sinusfunktionen von Fläche (gelb) und OFS (rot) grafisch abgebildet werden können. Im gezeigten Beispiel werden die aufgenommenen Daten vollständig durch die angepassten Sinusfunktionen beschrieben, sodass die Rohdatenkurven unter den deckungsgleichen Sinusgraphen kaum noch zu erkennen sind.

Abb. 2: Oszillation der Fläche (dunkelblau) und resultierende OFS (hellblau) eines Tropfens für die Probe 1 bei einer Frequenz von 0.5 Hz und einer Flächen¬amplitude von 3,6%. Die angepassten Sinusfunktionen sind ebenfalls dargestellt (Flächenoszillation in Gelb, resultierende OFS in Rot).

Die Ergebnisse für E’ und E’’ sind in den Abbildungen 3a und 3b zusammengefasst. Die Fehlerbalken entsprechen jeweils der Standard­ab­wei­chung aus zwei Einzelmessun­gen und sind in den meisten Fällen kleiner als das entsprechende Symbol. Diese hohe Reproduzierbarkeit kennzeichnet das ODM-Modul und dessen hohen Grades an Automatisierung für die Messungen.

Abb. 3a (oben), 3b (unten): Elastizitäts¬modul E‘ und Viskositäts¬modul E‘‘ in Abhängigkeit der Schwingungs-frequenz für alle drei untersuchten Proben. Die Amplitude der Oberflächen¬deformation beträgt 3,6 ± 0,4 %.

Bei allen drei Proben dominiert der elastische Anteil das grenz­flächen­rheologische Verhalten (E‘>>E‘‘). Während keine der Proben im untersuchten Frequenz­bereich eine Änderung des Elastizitäts­moduls zeigt, unterscheiden sich die Proben untereinander recht deutlich, wobei Probe 2 mit etwa 100 mN/m den höchsten Wert, Probe 3 mit etwa 20 mN/m den geringsten Wert aufweist. E‘‘ nimmt für alle drei Proben mit steigender Frequenz ab.

 

Die Ergebnisse sind für den Einsatz in der Lebensmittelherstellung sehr aufschlussreich. So kann beispielsweise für Probe 2 ein Quotient aus Elastizitätsmodul und OFS von E‘/σ = 2,8 berechnet werden. Einem Modell von Kloek et al. zufolge kann bei Quotienten E‘/σ > 1 die initiale Blasengrößenverteilung z. B. im Schaum gut stabilisiert und der Zerfallsprozess der Ostwald-Reifung deutlich verlangsamt oder sogar gestoppt werden [5]. Hiernach eignen sich Substanzen mit hohem Quotienten, wie Probe 2, sehr gut zur Stabilisierung von Schäumen im Lebensmittelbereich.

 

Schließlich ist bemerkenswert, dass alle hier erwähnten Messungen innerhalb von etwa zweieinhalb Stunden durchgeführt wurden. Anwendern, die zuvor aufgrund des hohen Aufwands auf grenzflächen­rheologische Unter­suchungen verzichtet haben, eröffnet sich nun die Möglichkeit, diese wichtigen Kennzahlen schnell und einfach mit hoher Präzision bestimmen zu können.

 

 

Zusammenfassung

Grenzflächenrheologische Parameter spielen eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung sowie der sensorischen Modifizierung von Lebensmittelschäumen und –emulsionen. Mit dem neuen Oscillating Drop Module – ODM in Kombination mit der Software ADVANCE lassen sich diese wichtigen Kennzahlen besonders einfach, schnell und präzise bestimmen, wie wir am Beispiel von drei gängigen Zusatzstoffen für Lebensmittel-Kolloide zeigen konnten. Die Möglichkeit über einen weiten Frequenz- und Amplitudenbereich zu messen, die einfache und intuitive Durchführung der Messungen sowie der hohe Grad an Automatisierung, den Hard- und Software gemeinsam ermöglichen, erlauben eine umfassende Charakterisierung von Grenzflächen, nicht nur im Lebensmittelbereich.

 

 

Literatur
  • [1] F. Thomsen, Stretching exercises for drops, KRÜSS Application Report AR246, 2005.
  • [2] G. Schwinn, Characterization of liquid foams, KRÜSS Application Report AR249, 2005.
  • [3] I. Kogut, D. Frese, R. Minch, T. Willers, M. Kirchner, Development of customized demulsifiers, KRÜSS Application Report AR276, 2015.
  • [4] B. S. Murray, Interfacial rheology of food emulsifiers and proteins, Curr Opin Colloid In 2002, 7, 426.
  • [5] M. B. J. Meinders, W. Kloek, T. van Vliet, Effect of surface elasticity on Ostwald ripening in emulsions, Langmuir 2001, 17, 3923.

 

 

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