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AR287

Entwicklung einer Messmethode zur Oberflächencharakterisierung von Haftklebemassen (PSA – Pressure Sensitive Adhesives)

Hydrophobic Recovery und Wilhelmy-Messmethode bei acrylsäurebasierten Produkten

Die Charakterisierung der Oberflächeneigenschaften von Haftklebemassen (Pressure Sensitive Adhesives, PSA) ist ein wichtiger Bestandteil der Produktentwicklung und –Optimierung. Variable Konzentrationen des Acrylsäuregehaltes erlauben es, die Oberflächenpolarität an die jeweiligen Substrate anzupassen. Wir haben tensiometrische Kontaktwinkelmessungen als Alternative zur optischen Sessile Drop Methode anhand von acrylatbasierten PSA mit unterschiedlichem Acrylsäuregehalt evaluiert. Diese Methode zeigt sich als gut geeignet und vorteilhaft gegenüber der optischen Methode. Die Dynamik möglicher Umorientierung der oberflächennahen funktionellen Gruppen in den PSA wurde im Rahmen einer Langzeitstudie der Wasser- und Diiodmethan-Kontaktwinkel an in Wasser konditionierten Proben untersucht. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Zeitskala für eine solche Hydrophobic Recovery in Größenordnungsbereichen unterhalb einer Minute liegt. Die beobachteten Wasserfortschreitwinkel zeigen einen linearen Zusammenhang mit dem Acrylsäuregehalt der PSA. Wilhelmy-Kontaktwinkelmessungen sind daher gut geeignet, um Änderungen der Oberflächenpolarität bedingt durch variable Acrylsäuregehalte einzustellen.  

Hintergrund

Die tesa SE ist einer der weltweit führenden Produzenten von Klebelösungen für Industrie und Handel, Verbrau­cher und Handwerk mit 125 Jahren Erfahrung in der Beschichtungstechnologie sowie der Entwicklung von Klebemassen und innovativen Produktlösungen.

 

Für die Entwicklung von neuen Haftklebemassen (Pressure Sensitive Adhesives, PSA) ist die genaue Kenntnis sowie Charakterisierung der zu verklebenden Substrate essentiell. Diese Notwendigkeit entsteht durch neue Trends und Weiterentwicklungen bei Low-surface-energy-Beschichtungen (z. B so genannte Lotuseffekt-, Easy-to-clean- und Pulverlack-Beschichtungen) und Oberflächenvorbehandlungen (z. B. Korrosionsschutz von Blechen durch Öl). Neben dem Einfluss viskoelastischer Eigenschaften der Haftklebemasse wird die Klebkraft bzw. der Abschälwiderstand wesentlich durch die Wechselwirkung und die Adhäsion der Klebemasse mit der Oberfläche beeinflusst. Um diese bei der Entwicklung von PSA berücksichtigen zu können, ist unter anderem die Kenntnis der Oberflächenspannung bzw. freien Oberflächenenergie der Klebemasse sowie des Substrats von Vorteil.

 

In diesem Bericht geht es um die Entwicklung einer Methode zur Bestimmung Oberflächenpolarität von viskoelastischen, fließfähigen Polymeren. Insbesondere sollen Polyacrylate untersucht werden, da diese häufig in vielfältig verwendbaren PSA eingesetzt werden und durch oberflächennahe Umorientierung von funktionellen Gruppen in der Lage sind, sich schnell an unterschiedliche Substrate anzupassen.

Abb. 1: Schematische Darstellung eines acrylsäurebasierten PSA

Bei der Entwicklung von acrylsäurebasierten PSA ist es gewünscht, neben der Kohäsion auch die Oberflächen­polarität durch eine entsprechende Variation des Acrylsäuregehaltes optimal für die jeweiligen Substrate und Anwendungen einzustellen.

 

Durch die Erhöhung der Acrylsäurekonzentration erhöhen sich die Polarität des Polymers und insbesondere der Anteil an funktionellen Gruppen, die Wasserstoffbrückenbindungen untereinander, aber auch mit dem Substrat eingehen können. Dieser Prozess soll über ein direktes Messen der Oberflächenpolarität mittels des Kontaktwinkels (KW) kontrolliert werden.

 

Die zurzeit häufig verwendete optische KW-Messung mit der Sessile-Drop-Methode liefert Wasser-KW deutlich oberhalb von 90°. Derart große Wasser-KW sind jedoch nicht mit den zu erwartenden polaren Eigenschaften (siehe Abb. 1) der Acrylsäure in den PSA zu vereinen. Vielmehr liegt die Ursache vermutlich darin, dass die Klebemassenmoleküle flexibel sind. Wird eine Klebe­schicht an Luft gelagert, orientieren sich die unterschiedlichen Seitenketten derart um, dass sich zum Beispiel die polaren Teile hereindrehen (Hydrophobic Recovery). Aufgrund der intra- und der intermolekularen Wechselwirkungen der polaren Gruppen sind diese oftmals etwas weniger mobil als die unpolaren. Auch von anderen Polymeren ist bekannt, dass die KW-Hysterese generell von der Orientierung und der Mobilität unterschiedlicher Moleküle an der Grenzfläche beeinflusst wird [1, 2, 3]. 

 

In dieser Studie ging es zum einen um die Frage, wie schnell diese Umorientierung stattfindet.

Zum anderen sollte untersucht werden, ob der KW mit dem Acrylsäuregehalt korreliert, wie es eigentlich zu erwarten wäre. In der Vergangenheit konnte eine solche Korrelation mit Hilfe von optischen KW-Messungen mit der Sessile-Drop-Methode nicht eindeutig festgestellt werden. Daher wird in dieser Studie die tensiometrische KW-Messung nach Wilhelmy als Alternative evaluiert. Diese Methode ist oftmals präziser als die optische Messung und erzeugt mit weniger Messaufwand und Zeit eine umfangreichere Datenlage. Während der KW bei einer Sessile-Drop-Messung streng genommen nur an zwei Punkten ermittelt wird, liefert eine einzelne Wilhelmy-Messung den über eine größere Fläche gemittelten KW basierend auf einer Vielzahl von Messpunkten. In dieser Studie ergab jede einzelne Wilhelmy-KW-Messung den Fortschreit-KW gemittelt über eine Fläche von 320 mm2 basierend auf 80 Einzelmesswerten. Die Messung setzt eine regelmäßige (z. B. plattenförmige oder zylindrische) Probenform voraus, was die Reichweite dieser Methode eingrenzt, im Rahmen dieser Untersuchung aber ohne weiteres möglich war.

 

Durch den Zugewinn an Präzision sollte festgestellt werden, ob eine möglicherweise schwächere Korrelation zwischen KW und Acrylsäuregehalt vorhanden ist, welche durch die Streuung optischer KW-Werte lediglich verdeckt war. Wir möchten aber hier bereits anmerken, dass der grundsätzliche Befund, nämlich ungewöhnlich große Sessile-Drop-KW, anhand vergleichbar großer Wilhelmy-Fortschreitwinkel bestätigt werden konnte.

 

 

Proben, Vorbereitung und Messmethode

Von der Firma tesa SE wurden Polyacrylate mit unterschiedlicher Acrylsäurekonzentration und ansonsten identischer Comonomerzusammensetzung zur Verfü­gung gestellt. Die verwendeten Acrylsäure­konzentrationen entsprachen denen, welche üblicher­weise in Haftklebemassen verwendet werden, um einen größtmöglichen Anwendungsbereich abzudecken.

 

Die Klebemassen waren beidseitig auf Deckgläschen aufgebracht und bis zum Start der Experimente bei KRÜSS beidseitig mit silikonisiertem Trennpapier abgedeckt.

Alle Proben wurden vor den KW-Messungen in Wasser konditioniert, indem die Deckgläschen für mindestens 72 h in bidestilliertes Wasser gehängt wurden. Danach wurden Kontaktwinkel mit Wasser und Diiodmethan (DIM) bei unterschiedlichen Zeitabständen zur Konditionierung mit der Wilhelmy-Platten-Methode am KRÜSS Force Tensiometer – K100 gemessen. Je zwei Deckgläschen (Proben) je Flüssigkeit und Konzentration wurden untersucht. Außerdem wurden je Konzentration mindestens zwei Deckgläschen direkt nach Entfernen der Schutzfolie ohne Konditionierung vermessen.

 

Die Messgeschwindigkeit bei den dynamischen KW-Messungen betrug für alle Messungen 3 mm/min und die Eintauchtiefe 8 mm. Abbildung 2 zeigt ein Deckgläschen beschichtet mit einer PSA mit 12% Acrylsäuregehalt an einem Probenhalter nach einer Wasser KW-Messung.

Abb. 2: Haftklebemasse mit 12% Acrylsäuregehalt auf Deckgläschen an einem SH0601 Klemmprobenhalter für das K100 nach Messung in Wasser

An vereinzelten Proben wurden noch optische Wasser-KW-Messungen am KRÜSS DSA100 unter Verwendung der Sessile-Drop- und der Captive-Bubble-Methode durchgeführt. Hierbei wurden die Tropfen und Blasen mithilfe einer Nadel-Dosiereinheit platziert.

 

 

Ergebnisse und Diskussion

Kontaktwinkelhysterese

Die Abbildungen 3a und 3b zeigen exemplarisch den Wasser- und DIM-Kontaktwinkel als Funktion der Eintauchtiefe für die PSAs mit 1% und 15% Acrylsäuregehalt unmittelbar (in weniger als einer Minute) nach der Konditionierung.

 

Abb. 3a: Wasser und DIM-Fortschreit- und Rückzugswinkel als Funktion der Eintauchtiefe für die PSA mit 1% Acrylsäuregehalt. Gemessen zum Zeitpunkt Null (<1 Minute) nach der Konditionierung.
Abb. 3b: Wasser und DIM-Fortschreit- und Rückzugswinkel als Funktion der Eintauchtiefe für die PSA mit 15% Acrylsäuregehalt. Gemessen zum Zeitpunkt Null (<1 Minute) nach der Konditionierung.

Die Reproduzierbarkeit der Proben ist durchgehend gut, besonders gut jedoch für Proben mit größerem Acrylsäuregehalt. Möglicherweise waren Proben mit kleinerem Acrylsäuregehalt weniger homogen, da statistisch gesehen vermehrt Polymere bzw. Oligomere ohne Acrylsäure auftreten. Damit ließen sich die größeren Schwankungen im gemessen KW durch eine tatsächliche Variation der Oberflächeneigenschaften verschiedener Proben erklären. Für eine zuverlässigere Aussage hierüber wären aber weitere Messungen notwendig.

 

Die in Abb. 3a zu sehenden probenabhängigen Variationen vom Wasser-Rückzugswinkel von ca. 15° bei der 1%-Probe waren die größten beobachteten Streuungen. In der Regel waren die Abweichungen kleiner als 3° (vgl. Abb. 4).

 

Der Wasser-Fortschreitwinkel für die 1% PSA liegt bei 130° und für die 15% PSA bei 110°. Die Rückzugswinkel liegen für beiden Proben bei 20°. Die Kontaktwinkelhysterese ist für alle gemessen Acrylsäure­konzentrationen mit über 80° sehr groß. Vermutlich kann diese Hysterese mit einer Umorien­tierung der Seitenketten in Verbindung gebracht werden. Vor Beginn der Fortschreitwinkelmessung hängt die Probe mit dem PSA in der (vollständig dispersen) Luft und die polaren Seitenketten sind in die Proben hereingedreht. Somit wird während des Eintauchens eine zunächst unpolare Oberfläche gemessen und der Fortschreitwinkel beträgt deutlich über 90°. Wenn danach die Probe während der Rückzugswinkelmessung wieder aus dem Wasser herausgezogen wird, haben sich die polaren Seitenketten aufgrund polarer Wechselwirkungen mit Wasser aus der Probe herausgedreht. Damit hat sich die Polarität der freien Oberflächenenergie stark erhöht. Bei der Rückzugs­winkelmessung wird also das Entnetzungsverhalten von Wasser bei einer stark polaren Oberfläche bestimmt. Dementsprechend sind die gemessen Rückzugswinkel recht klein und liegen im Bereich von etwa 20°.

 

Die KW-Hysterese für DIM ist mit ca. 30° zwar weitaus kleiner als für Wasser und vergleichbar mit der KW-Hysterese auf sauberen Deckgläschen (~ 30-40°); sie ist aber dennoch deutlich Messbar. Da bei Messungen mit dem gänzlich unpolaren DIrM kein Heraus- oder Hereindrehen der Seitenketten zu erwarten ist, deutet dies daraufhin, dass neben einer Hydrophobic Recovery auch noch andere Effekte (z. B. topologische Inhomogenität) zur KW Hysterese beitragen.

 

 

Stick-Slip-Verhalten und mögliche Ursachen

Alle Wasser-Fortschreitwinkelmessungen zeigen einen sägezahnartigen Verlauf, ein sogenanntes Stick-Slip-Verhalten. Nur bei der 1%igen Probe ist dieser weniger stark ausgeprägt. Für alle anderen Konzentrationen ist er vergleichbar deutlich und in Bezug auf Amplitude und Periodendauer gut reproduzierbar. Interessanterweise zeigen die KW-Messungen mit der vollkommen unpolaren Testflüssigkeit DIM ein vergleichbares Stick-Slip-Verhalten. Allerdings zeigt sich dieses sowohl für Wasser als auch für DIM jeweils nur bei den Fortschreitwinkel- und nicht bei den Rückzugs­winkelmessungen.

 

Eine vollständige Erklärung dieses Stick-Slip-Verhaltens bleibt ohne weitere Untersuchungen spekulativ. Denkbar wären z. B. die folgenden vier Ursachen:

 

1. Topografisch bedingte Unebenheiten, welche zwar den Fortscheitwinkel beeinflussen, aber während der Rückzugswinkelmessung geglättet würden. Hier bliebe die Frage, wie diese Glättung stattfindet.

 

2. Ein vom Trennpapier auf das PSA übertragener Silikonrasen. Da Fortschreitwinkel besonders sensitiv für niederenergetische und Rückzugswinkel für hochener­getische Inhomogenitäten sind [4], könnte dies erklären, warum das Stick-Slip-Verhalten nur während der Fortschreitwinkelmessung beobachtet wurde. Alternativ ist auch denkbar, dass ein solcher Silikonrasen während der Fortschreitwinkelmessung abgewaschen wird. Allerdings würde ein solcher Silikonrasen vermutlich nicht zu einem so regelmäßigen Stick-Slip Verhalten führen wie von uns beobachtet.

 

3. Statische Inhomogenitäten, also permanent vorlie­gende Acrylsäurearme und –reiche Bereiche.

 

4. Dynamische Inhomogenitäten nach einem Mecha­nismus, bei dem nach dem Spannungsaufbau im Stick-Bereich dann im Slip-Bereich die schlagartig fortschreitende Front über die noch unpolare Oberfläche läuft, die sich nicht schnell genug polar umorientieren kann.

 

Diese oder andere mögliche Ursachen hierfür wurden im Laufe der Studie jedoch nicht weiter untersucht.

 

 

Zeitabhängigkeit der KW – Hydrophobic Recovery

Die Abbildung 4 zeigt exemplarisch den Wasser-Fortschreitwinkel gemessen an den 12% PSA-Proben als Funktion der Zeit nach Ende der Konditionierung.

Abb. 4: Mittelwert des Wasser-Fortschreitwinkels als Funktion Zeit nach Konditionierung für die PSA mit 12% Acrylsäuregehalt berechnet aus den Ergebnissen von zwei unterschiedlichen Proben.

Die zunächst etwas größere, bei unkonditionierten Proben (in Rot dargestellt) auftretende Streuung konnte durch die Vorkonditionierung offenbar reduziert werden. Eine ausgeprägte Zeitabhängigkeit ist nicht zu beobachten; die zu sehenden Änderungen liegen kaum außerhalb der Streubreite. Der Wasser-KW steigt im Laufe von 160 h von 115.3° lediglich auf 117.6° an.

 

Eine einzelne Wasser-KW Messung an einer 12% PSA, welche 48 h konditioniert wurde, zeigte einen Fortschreitwinkel von 116° und somit keinen signifikanten Unterschied zu den kürzer konditionierten Proben. Auch die Wasser-KW-Messungen an den PSA anderer Konzentrationen zeigten keine ausgeprägten Zeitabhängigkeiten.

 

Auch die DIM-KW zeigten sich unbeeinflusst von der Vorkonditionierung, d. h. die vor und nach der Konditionierung gemessenen KW waren im Rahmen der Messstreuung gleich und zeigten dementsprechend keinerlei Zeitabhängigkeit.

 

Dies und die Tatsache, dass sämtliche Wasser-KW zum Zeitpunkt Null nach der Vorkonditionierung bereits deutlich über 100° lagen, lässt den Schluss zu, dass die Dynamik einer möglichen Umorientierung der Seitenketten in einem Zeitraum von weniger als einer Minute weitestgehend abgeschlossen ist. Die Zeitskala für eine solche eventuell stattfindende Hydrophobic Recovery liegt also in Größenordnungsbereichen unterhalb einer Minute. Ebenso wenig haben mögliche Trocknungseffekte innerhalb dieser Zeitskala einen signifikanten Effekt auf den gemessenen KW. Dies wird auch dadurch gestützt, dass die direkt nach der Konditionierung gemessenen KW deutlich zu hohe Werte für feuchte Oberflächen aufweisen.

 

Um eine mögliche Hydrophobic Recovery weiter zu untersuchen, wurden auch noch optische KW Messungen an der 12%-Probe durchgeführt.

 

Abbildungen 5 und 6 zeigen exemplarische Wasser-KW Messungen mit der Sessile-Drop- und Captive-Bubble-Methode an der 12%-Probe.

Abb. 5: Statischer Wasser KW auf 12% PSA gemessen am Sessile Drop.
Abb. 6: Statischer Wasser KW auf 12% PSA anhand einer Captive Bubble.

Der statische KW bei einem Sessile Drop beträgt 108° und bei einer Captive Bubble 19°. Der statische KW bei einem Sessile Drop beschreibt das Ergebnis eines Benetzungsvorganges, d. h. eine vorher nicht benetzte Probe wird benetzt. Wie zu erwarten ist der gemessene Sessile-Drop-KW vergleichbar mit dem ebenfalls den Benetzungsvorgang abbildenden Fortschreit-KW nach Wilhelmy. Im Gegenzug beschreibt der statische KW mit der Captive Bubble das Ergebnis eines Entnetzungsvorgangs. Analog ist KW vergleichbar mit dem Rückzugs-KW nach Wilhelmy. Sessile Drop und Captive Bubble KW liefern den Wert für eine Art statische Kontaktwinkel-Hysterese, welche mit 89° ähnlich groß ist wie bei den tensiometrischen Wilhelmy-KW-Messungen. Da Captive-Bubble-Messungen jedoch experimentell aufwändiger sind, insbesondere wenn eine zur Wilhelmy-Methode vergleichbare Mittelung über größere Probenbereiche gewünscht ist, wurde diese Methode nicht weiter verfolgt.

 

 

Zusammenhang zwischen Wasser-KW und Acrylsäuregehalt

Die Rückzugswinkel unmittelbar nach der Konditionierung waren für alle Proben im Rahmen der Fehlerstreuung gleich, bzw. es war kein eindeutiger Trend des Rückzugswinkels in Abhängigkeit von der Acrylsäurekonzentration zu beobachten. Die Rückzugswinkel zeigten eine größere Streuung als die Fortschreitwinkel, was durch Quelleffekte des PSA zu erklären wäre. Im Gegenzug waren die Fortschreitwinkel jedoch eine exzellent reproduzierbar. Abbildung 7 zeigt den Wasser-Fortschreitwinkel als Funktion des Acrylsäuregehaltes der Proben gleich nach der Konditionierung. Hierbei ist die Messstreuung kleiner als die Durchmesser der Datenpunkte.

Abb. 7: KW-Mittelwerte aus jeweils zwei Messungen für Proben mit unterschiedlichem Acrylsäuregehalt. Die Messstreuungen sind kleiner als die Durchmesser der Datenpunkte.

Es zeigt sich demnach ein signifikanter linearer Zusammenhang zwischen Acrylsäuregehalt und Wasser-Fortschreit-KW. Trotz des Hydrophobic-Recovery-Effekts folgt der Verlauf also der aufgrund zunehmender Polarität zu erwartenden Tendenz, dass der Wasser-Fortschreit-KW mit steigendem Acrylsäuregehalt abnimmt. Auch wenn also ein großer Teil der polaren Seitenketten sich vermutlich in die PSA hereingedreht hat und daher nicht vollkommen das Benetzungsverhalten beeinflusst (sehr große KW > 90°), so ist der Wasser-KW jedoch weiterhin sensitiv genug, um den Acrylsäure­gehalt quantitativ zu detektieren.

 

Die Konditionierung in Wasser scheint die Streuung der KW innerhalb der Proben zu verringern. Daher wäre es ein interessanter Aspekt für weitergehende Studien, zu untersuchen, ob der Wasser-KW in einem zweiten Wilhelmy-Messzyklus an nicht konditionierten Proben eine zu Abbildung 7 vergleichbare Datenlage ergibt. Auch ist es eine interessante Fragestellung für zukünftige Untersuchungen, ob die Captive-Bubble-Methode, welche anders als die Wilhelmy Rückzugswinkelmessung unbeeinflusst von möglichen Quelleffekten ist, eine signifikante Korrelation zwischen KW und Acrylsäuregehalt aufzeigen kann.

 

 

Zusammenfassung

PSA mit Acrylsäuregehalten von 1 bis 15% wurden 72 h in Wasser konditioniert. Messungen der Wasser- und Diiodmethan-Kontaktwinkel (KW) an diesen Proben zeigten keine deutliche Zeitabhängigkeit innerhalb von 170 Stunden nach der Konditionierung. Dies und die Beobachtungen einer sehr ausgeprägten Hysterese des Wasser-KW gemessen mit der Wilhelmy-Methode und vergleichbar großer Unterschiede zwischen optischen Sessile-Drop und Captive-Bubble-KW Messungen deuten darauf hin, dass eine mögliche Hydrophobic Recovery der Proben in einer Zeitskala unterhalb von einer Minute stattfindet.

 

Fortschreitwinkel-Messungen nach Wilhelmy mit Wasser zeigen einen signifikanten und annähernd linearen Zusammenhang mit dem Acrylsäuregehalt der PSA. Mit steigendem Acrylsäuregehalt sinkt der Wasser-KW von 128° (1%) auf 112° (15%). Im Vergleich zur vormals verwendeten optischen KW-Messung am Sessile Drop konnte die tensiometrische KW-Messung als für diese Proben besonders vorteilhafte Messmethode evaluiert werden.


Sie zeichnet sich besonders durch eine bessere Statistik (Mittelung über größere Flächen) und Reproduzierbarkeit aus und ist auch oftmals nutzerunabhängiger als händisch durchgeführte Sessile-Drop-Messungen.

 

 

Literatur
  • [1] C. Duc, A. Vlandas, G.G. Malliaras, and V. Senez, Soft Matter, 2016, 12, 5146-5153.            
  • [2] H. Yasuda, A. K. Sharma and T. Yasuda, J Polym. Sci Polym. Phys. Ed., 1981, 19, 1285.
  • [3] Y. L. Chen, C. A. Helm and J. N. Israelachvili, J. Physcial Chem., 1991, 95, 10736–10747.
  • [4] Rosa Di Mundo, Fabio Palumbo, Plasma Process. Polym. 2011, 8, 14–18, DOI: 10.1002/ppap.201000090.

 

Diese Studie wurde in enger Zusammenarbeit mit dem deutschen Hauptsitz der tesa SE durchgeführt. Die Proben stellte uns tesa SE freundlicherweise zur Verfügung.

 

Wie in diesem Applikationsbericht erwähnt, sind die Messungen zum Teil mit einem Force Tensiometer – K100 durchgeführt worden. Für dieselben Messmethoden, jedoch mit verbesserter Präzision und Benutzerfreundlichkeit, kann jetzt das aktuelle Instrument Tensíío genutzt werden.
 

 

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