Ersetzen der festen Nadel durch eine flüssige Nadel beim Messen statischer Kontaktwinkel
Vergleich des traditionellen Dosiersystems mit fester Nadel mit einem neuartigen druckbasierten Dosiersystem, bezeichnet als Liquid Needle
Die Dosierung von liegenden Tropfen mittels einer Nadel ist ein etabliertes Verfahren in der Kontaktwinkelanalyse. Jedoch berichten Anwender regelmäßig über nutzerabhängige Variationen bei den Kontaktwinkeln sowie auch über Probleme beim Platzieren von Flüssigkeitstropfen auf superhydrophobe Oberflächen. Außerdem wird nach höheren Dosiergeschwindigkeiten gefragt. Hier stellen wir eine neue Technik der Tropfendosierung vor, die auf einer Liquid Needle statt auf einer festen Nadel beruht. Darüber hinaus stellen wir die wichtigsten Ergebnisse einer im Journal of Colloid and Polymer Science (DOI 10.1007/s00396-015-3823-1) [1] veröffentlichten wissenschaftlichen Studie vor, in welcher die beiden Techniken anhand von 14 unterschiedlichen Probenoberflächen ausführlich verglichen werden. Wir zeigen, dass die resultierenden Kontaktwinkel der dosierten Tröpfchen bei beiden Techniken identisch sind. Darüber hinaus erklären wir, wie potenzielle Fallstricke bei der Nadeldosierung – wenn sie nicht sehr sorgfältig ausgeführt wird – durch die alternative Liquid Needle Dosiertechnik eliminiert werden.
Hintergrund
Die Kontaktwinkelmessung wird weithin als eine grundlegende Technik zum Untersuchen und Beschreiben von Oberflächen- und Grenzflächenphänomenen angewendet. In einer Vielzahl von Industriezweigen werden solche Messungen ausgeführt, um die Haftung von Beschichtungen zu optimieren und die Benetzung von Flüssigkeiten auf festen Substraten zu verstehen. Auch dienen sie im Rahmen von Qualitätskontrollprozessen zum Prüfen der Oberflächenaktivierung und der Schritte einer Oberflächenreinigung.
Die grundlegende Art und Weise, wie Flüssigkeitstropfen auf Oberflächen von Festkörperproben aufgebracht werden, hat sich seit der Einführung der optischen Kontaktwinkelmessung nicht geändert: An der Spitze einer Nadel wird ein Flüssigkeitstropfen erzeugt. Dieser wird dann sorgfältig in Kontakt mit der Probenoberfläche gebracht und anschließend auf sie übertragen.
Diese Art der Dosierung stößt an Grenzen, wenn superhydrophobe Oberflächen vorliegen oder hohe Aufbringungsgeschwindigkeiten erforderlich sind [1]. Darüber hinaus können fehlerhafte Ergebnisse erzielt werden, wenn die Tropfenaufbringung nicht sehr sorgfältig ausgeführt wird. Es können Abweichungen der von unterschiedlichen Anwendern gemessenen Kontaktwinkel auftreten (siehe Abb. 1), obwohl es von großem Interesse ist, das Experiment so anwenderunabhängig wie möglich zu gestalten.
Um diese potenziellen Fallstricke zu vermeiden, haben wir eine alternative druckbasierte Dosiertechnik entwickelt und implementiert, bei welcher der Tropfen mit einem genau definierten Flüssigkeitsstrahl (als Liquid Needle bezeichnet) direkt auf dem Substrat aufgebaut wird (siehe Abb. 2). Die Liquid Needle ist dahingehend optimiert, dass ein Tropfen so sanft wie möglich aufgebracht wird, wohingegen bei anderen in der Literatur beschriebenen nadellosen Techniken ein beträchtliches Maß an kinetischer Energie in den Tropfen eingebracht wird, was zur Folge hat, dass der Tropfen auf die Oberfläche „gespritzt“ wird. Die Kontaktwinkel, die z. B. bei fallenden Tropfen ermittelt werden, beschreiben daher das Ergebnis eines Entnetzungsprozesses und sind in den meisten Fällen erheblich kleiner als die Kontaktwinkel, die mit Nadeldosiersystemen ermittelt werden.
Versuchsdurchführung
Um zu zeigen, dass die neue Technik zu Ergebnissen führt, die den mit (sorgfältig angewendeter) Nadeldosierung erzielten gleichen, haben wir eine umfangreiche Vergleichsstudie zwischen den beiden Dosiertechniken durchgeführt.
Statische Kontaktwinkelmessungen wurden mit einem Drop Shape Analyzer – DSA100 durchgeführt und mit der Software ADVANCE ausgewertet. Um eine wiederholbare und anwenderunabhängige Tropfenaufbringung sicherzustellen, wurde in der Software für beide Dosiersysteme ein automatisiertes Verfahren definiert.
Jede einzelne Probe wurde mit denselben Lichteinstellungen und Fit-Algorithmen analysiert. Die Messungen wurden unter normalen Umgebungsbedingungen durchgeführt.
Kontaktwinkelmessungen wurden auf 14 sehr unterschiedlichen Proben ausgeführt:
- Hydrophile Oberflächen (Glas, Smartphone-Display)
- Hydrophobe Oberflächen (superhydrophobes P2i-Papier, Polydimethylsiloxan PDMS)
- Technische Polymere (Polyethylen PE, Polypropylen PP, Polyamid PA6)
- Silizium-Wafer (Wafer 1, Wafer 2)
- Selbstorganisierende Monoschichten (SAMs) auf SiO2 (Dichlordimethylsilan DDMS, Aminopropyltrimethoxysilan APTMS)
- Raue Oberflächen (DDMS-silanisierte Sandpapiere mit Korngröße 500, 1000 und 1500)
Mit den Proben deckten wir eine breite Palette von Wasserkontaktwinkeln von sehr klein (Smartphone-Display) bis sehr groß (hydrophobes P2i-Papier) sowie unterschiedliche Grade der Oberflächenhomogenität (von homogenen SAMs zu Sandpapierproben mit makroskopischer Oberflächenrauheit) ab.
Alle Proben wurden vor den Messungen gereinigt und getrocknet. Eine detaillierte Beschreibung des Versuchsaufbaus und der Probenvorbereitung ist in der angeführten Referenz [1] zu finden.
Ergebnisse
Die Ergebnisse der Kontaktwinkelmessungen auf den 14 Proben sind in Abb. 3a und Abb. 3b wiedergegeben, jeweils mit Wasser bzw. Diiodmethan als Testflüssigkeit.
Bei allen Proben ergeben beide Arten der Dosierung vergleichbare Kontaktwinkel und geringe Standardabweichungen.
Hinsichtlich des Effekts der Nadelaufbringung auf den Kontaktwinkel auf Oberflächen mit einer hohen Kontaktwinkelhysterese wie zum Beispiel PDMS (siehe Abb. 1) lässt sich schließen, dass die flüssige Nadel eine sogar noch sorgfältigere Methode der Tropfenaufbringung darstellt als die feste Nadel, da der resultierende Kontaktwinkel auf PDMS bei PDS sogar höher ist als bei NDS [1].
Bei Diiodmethan als zweiter, nicht-polarer Testflüssigkeit erhielten wir ebenfalls gut vergleichbare Kontaktwinkel für beide Dosierarten (Abb. 3b). Bei Glas waren die Kontaktwinkel von 1 µL-Tropfen, die mit PDS dosiert wurden, signifikant kleiner als jene von Tropfen, die mit NDS dosiert wurden. Dies kann durch die höhere Dichte von Diiodmethan im Vergleich zu Wasser erklärt werden, die mehr kinetische Energie in den Tropfen einträgt [1]. Eine einfache Art, den Einfluss dieser zusätzlichen kinetischen Energie auf den Kontaktwinkel auszuschließen, besteht darin, ein empfohlenes Tropfenvolumen von 2 bis 2,5 µL anstatt von 1 µL zu dosieren. Die kinetische Energie des Flüssigkeitsstrahls wird dann über ein größeres Tropfenvolumen dissipiert, und beide Dosiersysteme ergeben identische Kontaktwinkel (dunkelblaue Balken).
Auf superhydrophoben Oberflächen wie dem P2i-Papier war es nicht möglich, Tropfen mit einem Volumen von nur 3 µL mit NDS auf die Oberfläche zu übertragen. Dies liegt an der sehr geringen freien Oberflächenenergie (sehr geringe adhäsive Wechselwirkungen) dieser Probe. Für NDS mussten daher Tropfen mit einem Volumen von 6 µL verwendet werden (Abb. 3a, grüner Balken). Hingegen können mit PDS Tropfen von praktisch beliebigem Volumen auf solchen Proben dosiert werden. Darin sehen wir eine der Stärken des PDS.
Die voll automatisierte Messung von 20 Tropfen beanspruchte im Regelfall ungefähr 220 s mit NDS bzw. 54 s mit PDS. PDS stellt also eine wesentlich schnellere Technik zum Analysieren von Oberflächen dar.
Zusammenfassung
Wir stellen eine neue Methode der Dosierung vor, die als Liquid Needle bezeichnet wird und darauf beruht, dass ein Flüssigkeitsstrahl auf einem festen Substrat einen Tropfen für statische optische Kontaktwinkelmessungen aufbaut. Diese neue Technik wird in einer Studie mit zwei häufig verwendeten Testflüssigkeiten auf 14 sehr unterschiedlichen festen Substraten mit der klassischen Technik verglichen, bei der eine feste Nadel zum Dosieren verwendet wird.
Die ermittelten Kontaktwinkel sind bei beiden Aufbringverfahren weitgehend identisch, wobei die Liquid Needle einige Vorteile gegenüber den klassischen Verfahren bietet: Die Experimente verlaufen sehr viel schneller und Tropfenaufbringung auf superhydrophobe Oberflächen ist leicht zu bewerkstelligen.
Besonders wichtig ist, dass bei dieser neuartigen Technik der Tropfenaufbringung jeglicher Einfluss durch den Anwender sowie die daraus resultierenden Probleme mit der Reproduzierbarkeit der Ergebnisse praktisch ausgeschlossen sind. Dies wird zu einer weiteren Verbesserung der Vergleichbarkeit der von verschiedenen Gruppen gemessenen Kontaktwinkel beitragen. Zusammenfassend sind wir davon überzeugt, dass die Verwendung der Liquid Needle bei vielen Kontaktwinkelstudien von Vorteil ist und eine weitere Standardmethode bei der optischen Kontaktwinkelmessung werden kann.
Eine detaillierte Beschreibung aller Versuchsbedingungen und eine Diskussion aller Ergebnisse ist in dem im Journal of Colloid and Polymer Science [1] veröffentlichten Artikel zu finden.
Literatur
[1] M. Jin, R. Sanedrin, D. Frese, C. Scheithauer and T. Willers, “Replacing the solid needle by a liquid one when measuring static and advancing contact angles”, Colloid Polym. Sci. 294(4), 657-665, DOI 10.1007/s00396-015-3823-1 (2016).