Infektionsschutzkleidung wiederverwenden – denkbar oder utopisch?
Eine neue Studie zeigt, wie wasserabweisende Reinraumoveralls als Mehrweg-Schutzkleidung genutzt werden könnten.
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Eine neue Studie zeigt, wie wasserabweisende Reinraumoveralls als Mehrweg-Schutzkleidung genutzt werden könnten.
Ob und wie Schutzkleidung und Utensilien gegen Tröpfcheninfektion wiederverwendet werden können, ist derzeit Teil der öffentlichen Diskussion. Doch trotz des angewachsenen Infektionsgeschehens und damit verbundener Lieferengpässe reagiert die medizinische Fachwelt zögerlich – aus gutem Grund, denn herkömmliche Einwegkleidung bietet verlässlichen Schutz, der für viele Einsatzzwecke bei Mehrwegtextilien erst sichergestellt und nachgewiesen werden muss. Einen wichtigen Schritt geht eine neue Studie zur Benetzbarkeit beschichteter Reinraumkleidung.
Die im Rahmen einer Forschungskooperation untersuchten Materialien zeigten sehr gute flüssigkeitsabweisende Eigenschaften, wie sie zur Abschirmung infektiöser Tröpfchen erforderlich sind. Die im Mittelpunkt der Studie stehende Kontaktwinkelmethode erwies sich als valide und kann potenziell als einfach zugängliches Verfahren für Prüfungen medizinischer Schutzkleidung eingesetzt werden. An der Studie beteiligt waren neben dem Hamburger Messgerätehersteller KRÜSS die Dastex Reinraumzubehör GmbH & Co. KG sowie die maßgeblich initiierende OHB System AG.
Die untersuchten Textilien dienen eigentlich für Reinraumkleidung bei der Satellitenfertigung und schützen dort in erster Linie die Umgebung. Für den potenziellen Einsatz beim Infektionsschutz wurden die Gewebe mit einer hydrophoben PTFE-Beschichtung versehen. Diese Modifikation sollte die Benetzung durch infektiöse Tröpfchen und deren Absorption verhindern, sodass sie abfallen oder an der Oberfläche verdunsten. Der Nachweis solcher hydrophoben Eigenschaften ist eine typische Fragestellung der Kontaktwinkelmesstechnik, in der die Firma KRÜSS spezialisiert ist.
Zunächst konnte dem Gewebe anhand größerer Wassertropfen exzellentes flüssigkeitsabweisendes Verhalten bescheinigt werden. Um darüber hinaus den Schutz beim Kontakt mit hustenden oder niesenden Patient:innen zu untersuchen, wurden winzige Tröpfchen mit hoher Geschwindigkeit auf die Materialien appliziert. Mikroskopiegestützte Kontaktwinkelmessungen belegten auch für diese Situation eine gute Schutzwirkung, die sogar anhand einzelner Fasern nachgewiesen werden konnte. Und auch um die Wiederverwendung steht es günstig, denn selbst nach 120 Waschzyklen war keine Beeinträchtigung der wasserabweisenden Materialeigenschaften festzustellen.
Bisher konnte die Schutzwirkung medizinischer Kleidung nur in spezialisierten Laboratorien festgestellt werden. Im Kontrast dazu werden beschichtete Textilien für andere Verwendungszwecke häufig mit improvisierten, wissenschaftlich kaum zureichenden Methoden geprüft. Kontaktwinkelmessungen sind hingegen nicht nur valide für die Charakterisierung hydrophober Textilien, sondern auch schnell, einfach und mobil durchführbar.
Parallel haben Wissenschaftler:innen des Helmholtz Zentrums Geesthacht am DESY zusammen mit quality analysis (Nürtingen) und Volume Graphics (Heidelberg) die runden Formen der nicht benetzenden Tropfen in hochauflösenden computertomographische Untersuchungen visualisiert.
Bis jeder Bereich auf wiederverwendbare Schutzkleidung umschwenken kann, ist noch ein weiter Weg zu beschreiten. Der lohnt sich aber sicherlich, nicht nur aus ökologischen Gründen und bei Lieferengpässen. Auch Nutzer der Schutzkleidung würden von der Umstellung auf bequemere und noch dazu atmungsaktivere Materialien profitieren.
Ergebnisse der Studie wird Dr. Thomas Willers von KRÜSS am 18. Februar 2021 Online auf dem World Congress on Textile Coating vorstellen. Eine medizinische Fachveröffentlichung ist zunächst im Norwegischen Magazin Dagens Medisin vorgesehen.