Ermittlung der Benetzbarkeit von Carbonfasergarnen anhand von Einzelfaser-Kontaktwinkeldaten
Ein Modell zur Erfassung von Benetzbarkeitsdaten für herausfordernde Proben
Der vorliegende Applikationsbericht ist Zusammenfassung der Methodik und Ergebnisse von Untersuchungen an Carbonfaserproben, die in der wissenschaftlichen Literatur veröffentlicht worden sind (s. Literaturverzeichnis). Wir von KRÜSS danken unseren Gastautoren für die Übermittlung ihrer Erkenntnisse und Ergebnisse sowie die Bereitstellung dieses Berichts.
Die physikalische Adhäsion zwischen Carbonfasern (CF) und Polymermatrizen sowie die Bildung von Einschlüssen an der Grenzfläche zwischen diesen beiden Materialien wird in der Regel durch die Benetzungseigenschaften der Fasern bestimmt. Wegen der hierarchischen Struktur der CF-Verstärkungen ist es von entscheidender Bedeutung, ihr Benetzungsverhalten auf unterschiedlichen Skalen zu untersuchen: von der einzelnen Faser (Mikroskala) über das Garn (Mesoskala) hin zum Gewebe (Makroskala). Während die direkte Messung des Kontaktwinkels einer einzelnen CF mit tensiometrischen Verfahren sich lange bewährt hat, wird die direkte Messung der Benetzbarkeit von CF-Garnen durch deren poröse Struktur erschwert, die sich durch Phänomene der Verdichtung und der Flüssigkeitsaufnahme ergibt. Eine genaue Charakterisierung ihrer Benetzbarkeit ist deshalb immer noch mit großen Herausforderungen verbunden.
In diesem Applikationsbericht stellen wir eine Methode zur Bestimmung der Benetzbarkeit von CF-Garnen auf Grundlage von Kontaktwinkelmessungen an Einzelfasern vor. Dazu haben wir eine kombinierte und synchronisierte Analyse von tensiometrisch und optisch ermittelten Kontaktwinkeln durchgeführt. Die Benetzbarkeit von einzelnen CF und von geschlichteten und ungeschlichteten CF-Garnen, wurde mit Hilfe eines Force Tensiometer – K100SF und mit optischen Mitteln gemessen. Über ein modifiziertes Cassie-Baxter-Modell konnten dann die Kontaktwinkel auf Meso- und Mikroskalen erfolgreich miteinander verknüpft werden.
Versuchsdurchführung
Materialien
Die hier untersuchten CF-Fäden wurden zwei Arten von ungezwirnten CF-Garnen auf Polyacrylnitril-Basis entnommen. Bei diesen beiden Materialien handelt es sich um im Labor hergestellte, ungeschlichtete und unbehandelte CF-Garne, die von der Universität Deakin bereitgestellt wurden, bzw. um im Handel unter der Bezeichnung FT300-3000-40A (T300) verfügbare, geschlichtete CF-Garne (siehe Abb. 1), die bei der Toray CFs Europe S.A. erworben wurden. Als Testflüssigkeit für die Kontaktwinkelmessungen wurde destilliertes Wasser verwendet.
Methode
Es wurde die von Qiu et al. [1] zur Messung von statischen Fortschreitwinkeln vorgeschlagene Methode verwendet, um die Benetzbarkeit von einzelnen geschlichteten und ungeschlichteten CF nach der Methode von Wilhelmy zu charakterisieren. Jede Faser wurde dreimal mit einer Geschwindigkeit von 3,6 mm/min in das Flüssigkeitsgefäß eingetaucht und aus ihm herausgezogen, um eine Abfolge von dynamischen Fortschreit- und Rückzugswinkeln zu messen.
Um statische Fortschreitkontaktwinkel auf der Skala des CF-Garns zu messen, wurden die Proben über eine Länge von 1 mm langsam in die Flüssigkeit eingetaucht und in dieser Position für 500 s angehalten, um sicherzustellen, dass der externe Meniskus um das Garn seine statische Konfiguration erreicht. Das Gefäß wurde dann bis zur vollständigen Entfernung aus dem Flüssigkeitsbad nach unten bewegt. Die auf die Fäden ausgeübten Kräfte wurden während des ganzen Vorgangs (einschließlich Heranführung, Benetzung und Herausziehen aus dem Flüssigkeitsbad) kontinuierlich alle 200 ms mit dem Force Tensiometer – K100SF gemessen. Gleichzeitig wurden hochauflösende Aufnahmen gemacht, um die Verdichtung des Fadens durch elasto-kapilläre Kräfte zu überwachen. Abbildung 2 zeigt eine Skizze des Aufbaus.
Wir haben ein modifiziertes Cassie-Baxter-Modell entwickelt, das den an einer einzelnen Faser gemessenen Kontaktwinkel θs durch folgende Gleichung in Beziehung zum „mittleren“ externen Kontaktwinkel um eine CF θCB setzt:
Für θi kann ein Wert von 0° angenommen werden, weil die Luft zwischen den CF-Filamenten durch Wasser ersetzt wird; dies führt zu Wasser/Wasser-“Grenzflächen“. P ist der Volumenanteil von Nicht-Feststoffen des benetzten CF-Fadens, der sich aus der Masse, der Dichte und dem optisch ermittelten Durchmesser der CF-Garnproben (die normalerweise von kreisförmiger Gestalt sind) berechnen lässt. Geht man davon aus, dass im Faden keine Luftblasen zurückbleiben, kann P auch mit dem Volumenanteil der Flüssigkeitsretention fr gleichgesetzt werden. Dieser lässt sich aus dem Gewicht der durch Kapillarströmung aufgenommenen Flüssigkeit, wenn der benetzte Faden hinterher gewogen wird, mit Hilfe folgender Formel berechnen:
wobei Vr das Volumen der Flüssigkeit im Faden, Wr das Gewicht der Flüssigkeitsretention, Vfibers das Volumen der CF-Fasern und ρ die Dichte der Flüssigkeit ist. [2]
Ergebnisse
Abbildung 3 zeigt einen Vergleich zwischen den Fortschreitkontaktwinkeln, die an Einzelfasern nur mit dem K100SF und an Fäden mit der optischen Methode gemessen wurden, sowie den auf Grundlage der gemessenen Einzelfaserdaten nach der oben aufgeführten Formel berechneten Kontaktwinkeln für geschlichtete und ungeschlichtete CF. Der Vergleich zwischen den durch Messungen erhaltenen Ergebnissen und den theoretischen Vorhersagen für ungeschlichtete CF-Fäden und für T300-CF-Fäden zeigt eine gute Übereinstimmung; daraus ergibt sich, dass die Auswirkungen der Verdichtung und der Wasseraufnahme auf die statischen Fortschreitkontaktwinkel durch diese Methode erfolgreich quantifiziert werden.
Schlussfolgerung
In diesem Applikationsbericht beschreiben wir eine Methode zur Messung von Kontaktwinkeln an CF-Fäden. Diese Methode führte zu konsistenten Ergebnissen für einzelne CF und für CF-Fäden, die aus geschlichteten und ungeschlichteten CF bestanden. Die Methode bestätigt, dass sich Kontaktwinkel auf Meso- und Mikroskalen über das Cassie-Baxter-Modell verknüpfen lassen. Damit ist es jetzt möglich, den Kontaktwinkel von CF-Fäden aus Kontaktwinkeln abzuleiten, die an Einzelfasern gemessen wurden.
Entscheidend für die korrekte Einrichtung und für den Beweis unseres theoretischen Modells waren ein Force Tensiometer – K100SF in Verbindung mit einem optischen Standardgerät. Auf Grundlage diese Studie ist jetzt aber ein K100SF zusammen mit dem einfachen theoretischen Modell ausreichend, um die Benetzbarkeit von CF-Garnen zu beschreiben. Dies erleichtert eine bessere Vorhersage der Adhäsion zwischen Carbonfasergarn und Polymermatrix.
Institute der Autoren
- 1) School of Materials Science and Engineering, Harbin Institute of Technology, Harbin 150001, PR China
- 2) Department of Materials Engineering, KU Leuven, Leuven 3001, Belgium
- 3) Institute for Frontier Materials and ARC Future Fibres Hub, Deakin University, Geelong, Vic 3217, Australia
Literatur
- [1] S. Qiu, C.A. Fuentes, D. Zhang, A.W. Van Vuure, D. Seveno, Wettability of a single carbon fiber, Langmuir. 32 (2016) 9697–9705.
- [2] J. Wang, C.A. Fuentes, D. Zhang, X. Wang, A.W. Van Vuure, D. Seveno, Wettability of carbon fibres at micro- and mesoscales, Carbon N. Y. 120 (2017) 438–446.
Wir empfehlen außerdem die Lektüre unseres Applikationsberichts Benetzbarkeit von Carbonfasern anhand von Einzelfaser-Kontaktwinkelmessungen – eine Machbarkeitsstudie, KRÜSS AR271.